Maila – Die Wilde, die mir alles abverlangt
Maila hatte ihren Namen bereits, als sie zu mir kam. Wenn man die Bedeutung ihres Namens googelt, findet man Begriffe wie „starke Schlacht“, „Hoffnung“, „Königin“ und „Kind der Natur“. Doch als Maila mit einem Jahr zu mir kam, war sie alles andere als stark. Sie war ein Wanderpokal, ein wilder Hund, der die ersten sechs Monate seines Lebens auf einem tierheimähnlichen Grundstück in Bulgarien unter 30 anderen Hunden verbracht hatte.
Maila wurde mir mehr oder weniger obdachlos vor die Tür gesetzt und so nahm ich sie als Pflegehund auf. Zu meiner Überraschung ließ sie sich bereits nach wenigen Tagen von mir freiwillig anfassen und suchte sogar meine Nähe – etwas, das sie für die nächsten zwei Jahre nur bei mir zuließ. Trotz ihrer panischen Angst vor Menschen war Maila ein rebellischer, rotzfrecher Teenager. Vandalismus war ihr Hobby und unsere Beziehung war alles andere als einfach. Maila fixierte sich so stark auf mich, dass sie die Wohnung in Einzelteile zerlegte, sobald ich weg war. Ihr Vertrauen in mich war damals noch nicht stark genug, um sie vor ihren panischen Ausbrüchen zu bewahren.
Ich hatte zuvor schon viele Angsthunde betreut, aber Maila war eine Ausnahme – ein echtes Wildtier. Ein Gentest, soweit man ihm trauen kann, legt nahe, dass sie möglicherweise Wolfsblut in sich trägt und ihr Verhalten passt dazu. Sie ist sehr ursprünglich, klar und unglaublich natürlich.
Auf der Suche nach Hilfe konsultierte ich viele Hundetrainer, um Maila irgendwie an mein Leben anzupassen. Nach zwei Jahren erfolgloser Vermittlung ergab ich mich schließlich meinem Schicksal und behielt sie. Unsere Beziehung war keine Liebe auf den ersten oder zweiten Blick. Maila kostete mich viel Kraft und brachte mir viele Erkenntnisse. Erst durch meine Ausbildung zur Hundetrainerin begann ich, ihr Verhalten zu verstehen und sie wirklich zu sehen.
Wir haben viel zusammen durchgemacht. Nach meinem eigenen posttraumatischen Erlebnis in meinem damaligen Hauptjob in der Psychiatrie, konnte ich meinen Hund endlich fühlen und verstehen. Über die Jahre sind wir zu einem Team geworden. Maila ist heute meine beste, wenn auch eigensinnigste Mitarbeiterin. Wir haben gelernt, uns zu vertrauen, und ich würde behaupten, kein anderes Lebewesen hat mir so viel über mich selbst und meine eigenen Grenzen beigebracht wie sie. Wir sind gemeinsam gewachsen und tun es immer noch.
Maila passte irgendwie nirgendwo so richtig hinein. Als wilder Hund hätte sie ein selbstbestimmtes Leben verdient und je mehr ich Straßenhunde beobachtet habe, desto mehr fand ich Maila in ihnen wieder. Es stimmt mich traurig, dass sie nie dieses freie, selbstbestimmte Leben führen durfte. Doch durch unsere mittlerweile enge Beziehung kann ich ihr viele Freiheiten geben. Sie beherrscht die Hundesprache in Perfektion und ist mir oft eine große Hilfe in der Arbeit mit anderen Hunden – zumindest wenn sie gerade möchte.
Maila ist stur, sanft, sensibel und unglaublich loyal und ehrlich. Von dem ängstlichen Hund, der sich vor lauter Angst einnässte, ist heute nur noch ein Schatten übrig, der uns manchmal noch herausfordert. Insgesamt ist sie jedoch zu einer stolzen, ausdrucksstarken Hündin mit einer unglaublichen Präsenz geworden. Sie ist, wie sie ist – perfekt unperfekt. Manchmal eine Bürde, aber doch ein riesiges Geschenk, ohne das ich heute nicht der Mensch und die Hundetrainerin wäre, die ich jetzt bin.